Hexensteig Teil 3

 Morgens schaue ich aus dem Fenster, die Sonne scheint und das Hausdach gegenüber glitzert eisig vom Nachtfrost.

Ich habe schlecht geschlafen, denn auch dieses Bett war hart. Wach sinniere ich über die Werbestrategie des Jugendherbergsverbandes. Sie wollen für alle Altersgruppen " low budget" Urlaub anbieten, doch wird für das ältere ( mehr zahlende) Klientel in meinen Augen nichts getan. Es ist doch klar, dass ein Kind auf einer 9 cm dicken Schaumstoffmatratze auf einem Brett (diesmal sah es aus wie eine Sägespäne- Leim- Pappgemisch- Brett mit Bohrlöchern) gut schläft, aber nicht eine alte Frau von 72kg. Als Bauchschläferin habe ich das erste Mal meinen Schritti in den Brustkorb gedrückt bekommen. Im Zimmer gibt es nur Holzhocker, also gemütlich sitzen ist nicht. Doppelstockbetten sind eh ein Graus. Die allgemeine Sauberkeit des Zimmers sei noch hinnehmbar, aber auf dem Flur tummeln sich die Wollmäuse. Dafür soll man bei Abreise fegen, Müll entsorgen, Betten abziehen, Fenster öffnen. Cool und all diese Anweisungen für in meinen Augen nicht angemesses Geld. Ganz ehrlich, ich bin zu alt für diesen Sch... Meine Kündigung der Mitgliedschaft ist definitiv richtig 

Das Frühstück zeigt deutlich, dass gesunde Kost ein dehnbar Begriff ist und so lasse ich den Mulitvitaminsaft aus dem Chemiebaukasten und den Blümchenkaffee stehen. Mit Milch werden müde Mädchen nicht munter, aber damit lassen sich die Brötchen gut runterspülen.

Gut gelaunt gehen wir heute nicht zurück auf den Hexensteig ( H.s Knie muckert), sondern wandeln mit Zitaten aus dem " Faust" auf dem Teufelsstieg. 


Die kalte Bode murmelt in ihrem Bett in lauschigen Nähe. Der Wald ist teilweise noch intakt, sodass es schöne Schattenspiele auf dem saftig- grünen Moos zu bewundern gibt. Der Himmel ist azurblau mit weißen " Lämmerwölckchen" und lässt mich " Christe, du Lamm Gottes" intonieren und die Ostergeschichte spüren.





Wir kommen an ein älteres Schild, dass verkündet, dass der Weg unpassierbar ist, weil eine Brücke fehlt. Stimmt das? Der Weg schlängelt sich romantisch am Ufer entlang, lädt uns ein, mutig zu sein und zu schauen was passiert.

Die Brücke ist noch kaputt, aber ein Wanderweg oberhalb bringt uns sicher über die Hürde und zurück auf unseren Weg. Doch dann liegen ca 10 riesige Bäume über dem Weg. Wie bei der " Löwenjagd" geht es nicht links vorbei, nicht rechts vorbei....nein, wir müssen mittendurch!


Über Baumstämme kletternd, unter Baumstämme kriechen, Morast ausweichend bestehen wir das Abenteuer " Harzer Hürdenlauf" ( heute noch öfter) und laufen weiter, bis nach Elend. 


Um den Ort geht es weiter durch ehemals dichte Wälder, von denen nur noch wenig übrig geblieben ist.


Ein entwurzelter Baum zeigt sein Herz im Wurzelballen.

Vor Königshütte laufen wir durch eine riesiges Bauerngehöft mit unzähligen braunen Rindern  welche sich an der Futterraufe drängeln und kaum an das Grünfutter gelangen.  Also nutze ich meine Stöcke, um ihnen das Futter direkt vors Maul zu schieben. Sie danken es mit sanften Blicken.

Dann kommen wir in den Ort. Hier gibt es zwei Restaurants, die Ostersonntag sich abgesprochen haben,  keine Gäste zu empfangen. In unserem Wanderführer lesen wir vom sanften Tourismus in der Region. So sanft, dass er vorbei geht?

Auf einer Bank in der Sonne genügt uns Wasser, Apfel und Müsliriegel, bevor es weiter geht, nun an der warmen Bode entlang. 

Die Landschaft ist trist, kahl, von Forstmaschinen zerwühlt und nach 3 Tagen fällt mir keine positive Betrachtungsweise der Naturzerstörung mehr ein. Immer wieder steigen wir über umgestürzte Bäume oder sehen die Weggabelungen nicht mehr,  weil die Wege nicht mehr erkennbar sind. Dank Navi finden wir immer zurück.

Nur die Sonne und der blaue Himmel machen den Reiz des Wanderns aus. Bei Regen und Wind wäre hier Endzeitstimmung. Es schmerzt das Auge und so schaue ich die nächsten Kilometer nach innen. Ich gebe mich dem Rhythmus meiner Schritte hin, lasse die Gedanken laufen, verstumme ( was H. anfänglich irritiert) und bin zeitlos marschierend. Erholung pur.


So kommen wir zum Rappodetalblick und laufen über die Vorstufe der riesigen Talsperre.


Später führt der Hexenstieg wieder steiler und länger nach oben. Wir entscheiden uns für die " Via Romea", welche kürzer und sanfter ist. Ich schwelge in Erinnerungen an den letzten Sommer, als ich dieser ab Donauwörth öfter gefolgt bin.


Nach nur 23km kommen wir in Hasselfelde gegen 16 Uhr an. Der Busbahnhof hat ein riesiges Schild über seinen 2 Steigen hängen und entlockt mir ein Lächeln.


Wir laufen zum Hotel. Wie freue ich mich auf die Sauna! Doch hier angekommen, stellen wir ernüchternd fest, dass wir erst in 1 Stunde einchecken können. Es ist noch geschlossen. Der Blick auf die Speisekarte verrät mir, dass ich hier nicht essen möchte. 

Wir erkunden die " Stadt" in der  nur noch ein chinesisches Restaurant und 2 Eisdielen geöffnet haben. Der Rest hat Corona nicht überlebt.  Hasselfelde hat seit 1222 Stadtrecht, wirkt aber auf uns eher wie ein Dorf.

Wir setzen uns ins Café Hartmann. Für den kleinen Hunger gibt es Milchkaffee und Weißbier zum Kuchen und danach ein Softeis.

Die Wirtin sammelt Kaffeekannen,welche überall auf Regalen stehen. Auf dem Tresen steht ein Sprüchekalender und den heutigen kann ich gut beherzigen.😄 


Im Chinarestaurant reserviert H. einen Tisch, bevor wir im Wellnesshotel einchecken. Die Wirtin ist etwas zugeknöpft, um nicht zu sagen unhöflich. Sie schließt uns die Tür auf, ohne sie zu öffnen und verschwindet hinter der Anmeldung.  Auf mein " Frohe- Ostern- Guten Tag" kommt keine Antwort. Nach der Anmeldung, frage ich nach der Sauna. Ich erfahre, dass sie noch nicht an ist, weil sie ja nicht benutzt werden durfte. Im Moment dürfe nur Einer rein, wegen der Größe.  O.k., sage ich, ich möchte gern allein rein. ABER nein, sie ist noch nicht in Betrieb! Es geht nicht! Toll, Wellnesshotel ohne Wellness. Hier wellt sich nur der Teppichboden auf dem Gang. Wir betreten unser Zimmer zur Straße hinaus und eine Duftmischung aus kaltem Rauch und billigen Parfüm umhüllt unsere Nasen. Aromatherapie? Wellnessluft? H. geht mutig zur Rezeption und fragt die Frau höflich nach einem Zimmer nach hinten raus, da wir gern mit offenen Fenster schlafen. Aus dem Hintergrund ruft der Mann, ob wir kein Ohropax haben. Wie bitte? Nein haben wir nicht. H. erhält einen neuen Zimmerschlüssel und wir gehen hinein. Hurra! Ein Traum in zart Grün. 

Ich gehe ins Bad und entdecke die Handtücher mit Fransen, welche mich sprachlos machen! Was ist hier los? Wenn ich Leistungen nicht anbieten kann/ will, sollte ich den Zimmerpreis da nicht dementsprechend anpassen? Langsam bin ich bereit dem Tourismusverband mal ein bissel auf die Sprünge zu helfen. Ganz im Ernst- sanfter Tourismus wird so bei mir erreicht. Einmal Harz, nie wieder. Das Preis- Leistungsverhältnis stimmt in keinster Weise. 

Ich nehme eine Saunadusche, indem ich mir  15 min, 45° C heißes Wasser unter der Dusche runterrieseln lasse. Das beruhigt meinen Unmut. Da die Sauna ausfällt, haben wir genug Zeit uns auszuruhen, denn erst 20 Uhr gehen wir essen. Ich bin gespannt, was uns erwartet.

Bevor wir essen gehen, gibt es doch noch Wellness- für die Wanderschuhe.😄 Wir entdecken eine Schuhputzmaschine, stecken den Stecker rein und unsere verstaubten Schuhe erfahren ein wenig Glanz.

Das China- Restaurant ist nett, mit wenig Schnickschnack eingerichtet. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal chinesisch Essen war, denn es gab ja immer Italiener in meiner Nähe. Meine vegetarischen Bratnudeln waren gut, nur nicht ganz heiß. Die gebackene Banane war ein Gedicht. Weder troff sie vor Öl, noch war sie mit Honig zugekleistert, also wirklich super lecker. Auch durfte ich das Restaurant- Wlan nutzen, denn in der 3. Etage des Hotels funktioniert es nicht.

Also ein guter Abschluss unseres 3. Tages:Harz pur.


Nachtrag: Das Hotel denkt ökologisch. Eine Deckenlampe gibt es nicht, die Stehlampe tut nicht....So spart man Strom.🤣

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